Prom­in­enter in­ter­na­tionaler Bil­an­zex­perte An­dreas Bar­ck­ow: Was sind grüne Bil­an­zre­geln und welche Aufgabe hat der neue in­ter­na­tionale Rat für nach­haltige Rech­nungsle­gung?

Parallel zur Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow gab jüngst die Stiftung für internationale Rechnungslegungsstandards, den sogenannten International Financial Reporting Standards (IFRS), die Bildung eines internationalen Rats für nachhaltige Rechnungslegung bekannt. Dieses neue Gremium mit dem Namen ?International Sustainability Standards Board” (ISSB) soll zukünftig im ?ffentlichen Interesse eine umfassende globale Basis von qualitativ hochwertigen Standards für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten entwickeln. Mit diesen sogenannten ?grünen Bilanzregeln“ soll Anlegern und anderen Kapitalmarktakteuren Informationen über nachhaltigkeitsbezogene Risiken und Chancen von Unternehmen geboten werden, um ihnen zu helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Denn internationale Investoren mit globalen Anlageportfolios fordern zunehmend eine qualitativ hochwertige, transparente, zuverl?ssige und vergleichbare Berichterstattung von Unternehmen zu zus?tzlichen Themenbereichen von Nachhaltigkeit wie Klima/Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung (international abgekürzt mit ESG für environmental, social and governance issues).

Die internationalen Rechnungslegungsstandards für die aktuelle traditionelle Finanzberichterstattung wurden in der IFRS-Stiftung von dem International Accounting Standards Board (IASB) mit Sitz in London fachlich entwickelt und herausgegeben. Neuer IASB-Vorsitzender in dieser internationalen Spitzenposition ist seit 1. Juli dieses Jahres als erster Deutscher Prof. Dr. Andreas Barckow, ein Alumnus der Wirtschaftswissenschaften der Universit?t Paderborn. Er gab in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) eingehend Auskunft zu den Aufgaben des neuen Rats für nachhaltige Rechnungslegung ISSB, dessen Hauptsitz Frankfurt sein wird. Zu weiteren internationalen Standorten des ISSB werden derzeit noch Gespr?che geführt.

In dem in der F.A.Z. am 4. November erschienenen Artikel ?Frankfurt setzt die grünen Bilanz-Regeln“ erl?utert Andreas Barckow, dass der traditionelle Jahresbericht von Unternehmen auf Basis von Standards erstellt wird, die sich an den erfolgten Ums?tzen und Gewinnen orientieren. Für die neuen, oben genannten ethischen Themenbereiche müsse erst noch von der Politik ein Konsens geschaffen werden, was unter Nachhaltigkeit konkret zu verstehen sei. Hingegen sei das neue ISSB dafür verantwortlich, wie sich Nachhaltigkeit objektiv messen l?sst. Barckow erkl?rt, dass sich nachhaltige Kriterien in den bisherigen traditionellen Jahresberichten nur eingeschr?nkt abbilden lie?en, da die Bilanz Verm?gen und Schulden eines Unternehmens zu einem Stichtag zeige und somit vergangenheitsorientierte Finanzdaten dokumentiere. Im Gegensatz dazu blicke die nachhaltigkeitsorientierte Berichterstattung nach vorn und ?sei daher keine Rechnungslegung im Sinne von Rechenschaftslegung“. Barckow betont in der F.A.Z. die Wichtigkeit der politischen Entscheidungen für die Arbeit von Rechnungslegungsfachleuten: ?Wenn unsere zukünftige Schwesterorganisation, das ISSB, internationale Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickeln soll, brauchen wir zuvor eine Definition, was unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist. Darüber fehlt jedoch ein internationaler Konsens.“ Auch wenn das ISSB als Rechnungslegungsgremium nicht definieren k?nne, was nachhaltig sei, so überlegten schon jetzt Bilanzfachleute, ?über welche Aspekte der Nachhaltigkeit es sich lohnen k?nnte, den Investoren und der ?ffentlichkeit gegenüber in strukturierter Weise Bericht zu erstatten.“

Für Unternehmen reicht es künftig nicht mehr aus, ?viel Geld zu verdienen und hohe Gewinne an die Eigentümer auszuschütten“ – so die F.A.Z. Der Trend zum Interesse an nachhaltigem Wirtschaften wird von wissenschaftlichen Institutionen schon lange gesehen und begleitet. Als Institution wird die impulsgebende Schmalenbach-Gesellschaft genannt, die den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zum Ziel hat. Ihr Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung (AKEU) hatte im September eine entsprechende These für die Zukunft der Rechnungslegung aufgestellt, in der davon ausgegangen wird, ?dass Standards für nachhaltige und an ESG-Kriterien orientierte Rechnungslegung künftig gleichberechtigt neben den klassischen IFRS-Kennzahlen existieren werden“.

Vizepr?sidentin der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. ist Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane, die an der Universit?t Paderborn die Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, innehat. Sureth-Sloane ?u?ert sich zu der im F.A.Z.-Artikel angesprochenen Thematik: ?Zun?chst freuen wir uns an der Universit?t Paderborn in unserem Department ?Taxation, Accounting, Finance' ganz besonders darüber, dass die international hervorragende Expertise unseres Alumnus Andreas Barckow so gesch?tzt wird und ihm die Kommunikation mit den verschiedenen Stakeholdern sehr am Herzen liegt. Der Dialog von Wissenschaft mit Unternehmen und auch der Politik wird in der Schmalenbach-Gesellschaft intensiv gepflegt, damit k?nnen schon früh Handlungsbedarfe erkannt und mit entsprechenden Kompetenzen er?rtert und bearbeitet werden. So thematisieren die Anfang November in der F.A.Z. ver?ffentlichten neuen elf Thesen des AKEU zur Zukunft der Unternehmensberichterstattung insbesondere die Entwicklung der Rechnungslegung zu einer ganzheitlichen Unternehmensberichterstattung einschlie?lich der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die dadurch entstehenden Herausforderungen für die Unternehmen und deren Stakeholder – also Investoren, Mitarbeiter, Kunden und ?ffentlichkeit – sowie den Einfluss der Digitalisierung.“

Zur Person

Andreas Barckow legte 1995 sein Examen im Studiengang Wirtschaftswissenschaften als Diplom-Kaufmann an der Universit?t-Gesamthochschule Paderborn ab und war dort von 1995 bis zum Jahr 2000 Wissenschaftlicher Bediensteter an den Professuren für ?Externe Rechnungslegung“ sowie ?Statistik, ?konometrie und Entscheidungstheorie“ t?tig. Von 2000 bis 2001 war er Fachreferent für Bilanzierungsfragen und Leiter des IAS-39-Umstellungsprojekts bei der DG Bank Aktiengesellschaft, Frankfurt (jetzt DZ Bank). Von 2001 bis 2015 leitete er das IFRS Centre of Excellence,bei Deloitte in Frankfurt. Seit Juni 2009 ist er auch Mitglied im Global IFRS Leadership Team, dem obersten Lenkungsausschuss für IFRS-Fragestellungen im Deloitte-Netzwerk. Seine Promotion erlangte Barckow 2003 an der Universit?t Paderborn. Im Jahr 2008 wurde er zum Honorarprofessor für internationale Rechnungslegung an der Justus-Liebig-Universit?t Gie?en ernannt. Im Jahr 2015 wurde Barckow Pr?sident des DRSC e. V. (?Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee“) in Berlin. 2016 wurde er zum Honorarprofessor an der WHU – Otto Beisheim School of Management ernannt.

Seit 1. Juli 2021 hat Andreas Barckow das Amt des IASB-Vorsitzenden inne und gab seine Pr?sidentschaft im DRSC auf (www.ifrs.org/news-and-events/news/2021/07/meet-the-new-iasb-chair-andreas-barckow).

Prof. Dr. Andreas Barckow wurde an der Universit?t Paderborn von der Fakult?t für Wirtschaftswissenschaften als herausragende Pers?nlichkeit in die Hall of Fame aufgenommen (http://go.upb.de/wiwi-halloffame).

Weitere Information

IFRS, 03 November 2021 | News

International Sustainability Standards Board (ISSB)

Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11.2021, Nr. 257, S. 26: ?Frankfurt setzt die grünen Bilanz-Regeln“ von Mark Fehr. Zum Artikelkauf

FAZ.NET, 03.11.2021 | F.A.Z.-Exklusiv: ?Es fehlt ein internationaler Konsens zur Nachhaltigkeit“. Interview mit Prof. Dr. Andreas Barckow, Pr?sident des internationalen Bilanzgremiums IASB, von Mark Fehr. Zum Artikelkauf

Foto (Ralf Berendt, K?ln): Prof. Dr. Andreas Barckow, Alumnus der Fakult?t für Wirtschaftswissenschaften der Universit?t Paderborn, ist seit 1. Juli 2021 Vorsitzender des Boards für internationale Rechnungslegungsstandards (International Accounting Standards Board).

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane

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